Ich habe sehr früh gelernt mich in die Sicherheit meiner Gedankenwelt zurückzuziehen. So sehr im Kopf zu sein und weniger im Körper führte dazu, dass ich lange Zeit
besser im Denken war als im Fühlen und ehrlich gesagt, nicht wirklich wusste, was ich brauche, was ich will und wer ich eigentlich bin. Ich habe funktioniert.
Ich wurde Versicherungskauffrau. Nach 10 Jahren Berufstätigkeit begann ich ein Studium. Die Wahl fiel auf Informatik. Ich dachte, da sei alles einschätzbar und
berechenbar.
Ich habe zwar ein technisches Verständnis und eine Affinität zu Computern, aber es stellte sich schnell heraus, dass mir Informatik viel zu komplex war. Aber ich
gab nicht auf.
Es dauerte genau 6 Semester bis ich innerlich zerbrach — genauer gesagt, zerbrach endlich der Widerstand gegen mich selbst.
Ich sitze in der Vorlesung für theoretische Informatik. Meinen Notizblock vor mir, denke ich ungläubig: „Ist das Dach undicht?“ und gucke nach oben. Denn das
scheint mir die einzige Erklärung dafür zu sein, dass plötzlich Wasser auf meine Unterlagen tropft. Es ist kein Wasser — ich weine — ich will hier weg.
Ich werde nie diesen Moment vergessen, als ich mich endlich selbst hören konnte, mit dieser ganzen aufgestauten Not. Ich hatte mich von Semester zu Semester
gezwungen. „Du schaffst das“, „andere können das auch“,, „stell dich nicht so an“, „Scheitern ist keine Option“, „es gibt keine berufliche Alternative“.
Ich konnte nicht mehr. Ich schlich mich aus der Vorlesung — erschöpft und müde — und kam nie wieder an die Uni zurück.
Unter dem Deckmantel des restlichen Semesters, beschloss ich für einen Moment keine Zukunft mehr zu haben. Und zwei Tage später passierte etwas Spannendes.
Inspiriert von einer Freundin, sitze ich früh morgens vor meinem Laptop und beginne zu schreiben. Ich schreibe und schreibe und bin fasziniert von diesem Gefühl. Etwas trägt mich, jemand in mir hat was zu erzählen. Es geht wie von allein. Die Barbara, die ich bis dahin so erfolgreich unterdrückt hatte, bricht aus mir heraus und erzählt mir meine Geschichte.
In kürzester Zeit hatte ich 18 Seiten geschrieben. Ich wusste es damals noch nicht, aber ich hatte gerade das erste Kapitel meines Buches geschrieben und damit
meine Heilreise begonnen.
Eine Geschichte über meine damals beste Freundin, die mir den Weg in die Welt der Spiritualität zeigte und über die Frau, die ich nicht loslassen konnte. Ich liebte
sie und daran änderte sich viele Jahre auch nichts, so sehr ich es auch versuchte.
Kopf und Herz waren getrennt in mir. Ich hatte nicht nur keinen Zugang zu meinem Interesse an Spiritualität, Psychologie, Kommunikation, ich hielt es sogar für
gefährlich, dem nachzugehen. Und gleichzeitig hatte ich auch keinerlei Gespür dafür, was ich mir in der Liebesbeziehung alles gefallen ließ. Ich fühlte mich nicht, als hätte ich keine eigene
Identität. Ich fühlte nur einen Schmerz, wenn diese Frau nicht da war und verwechselte diese Sehnsucht mit Liebe. Diese Beziehung zehrte mich auf — wortwörtlich. Ich verlor stetig an Gewicht. Ich
war das Gegenteil eines Frust-Essers und das bisschen Hunger rauchte ich mir einfach weg. Ein ausgewiesener Ernährungsberater konnte mir nicht weiterhelfen, er erkannte mein Problem nicht. Zu ihm
kamen Menschen die zu dick waren, nicht zu dünne.
In meinem Freundeskreis wurden die ersten Kinder geboren und eine der Mütter erzählte mir, dass sie dazu neige, die Reste aus den Gläschen für ihren Sohn
auszulöffeln, wenn der satt war. Sie müsse ein wenig aufpassen, denn die hätten wahnsinnig viele Kalorien.
Ich brauche Kalorien. Also kaufe ich mir ein Glas Alete Brei, und würge die ersten Löffel mit Mühe herunter. Es fällt mir so wahnsinnig schwer. Nicht weil der Brei nicht schmeckt. Etwas in mir ist so voller Abscheu und Selbsthass. Mir steigen Tränen in die Augen und doch weiß ich, ich muss jetzt dieses kleine Kind in mir füttern, sonst weiß ich nicht mehr, wie es weitergehen soll.
Ich schreibe mein Buch, verteile Leseproben an Freunde und bitte sie, falls sie — nachdem sie meine Geschichte gelesen
haben — nichts mehr mit mir zu tun haben wollen, sich wenigstens von mir zu verabschieden.
Das Buch war fertig und mein Lektor machte mir Mut es zu veröffentlichen. Ein Jahr später sollte es als Hörbuch herauskommen.
Nachdem ich das Buch im Tonstudio eingelesen hatte, sitze ich neben dem Tonmeister. Ich bin neugierig und schau ihm bei seiner Arbeit über die Schulter. Der
Raum ist erfüllt von meiner Stimme, die gerade das letzte Kapitel aus „Rosali am Nachmittag“ vorliest. Langsam, ganz leise regt sich in
mir ein Gefühl der Wut — Wut auf diese Frau, die ich nicht loslassen kann. Wie konnte es sein, dass ich sie nicht nur ein zweites Mal, nein sogar ein drittes und viertes Mal zurück in mein Leben
ließ. Endlich Wut! Endlich! Hallelujah!!!
Ich fing an mich weiterzubilden, und zwar in den Bereichen, die mich von Herzen anzogen. Ich versuchte meinen Verstand weitestgehend aus den Entscheidungen
herauszuhalten. Am Anfang hatte ich tatsächlich noch einige Diskussionen mit mir selbst zu führen. In etwa, ob ein bestimmter Betrag X für ein Einführungswochenende in die gewaltfreie
Kommunikation nicht zu teuer sei, ob ich es mir leisten könne. Das GfK-Wochenende ließ mich zunächst sprachlos zurück. Auf die Frage welche Gefühle und Bedürfnisse ich habe, hatte mein Verstand
nicht so schnell eine Antwort.
Es folgte das Jahrestraining für gewaltfreie Kommunikation, die Ausbildung zum Coach für The Work von Byron Katie, eine Yogalehrer Ausbildung, Intuitionstraining
und Weiterbildungen im Bereich Entwicklungstrauma, Regulation des autonomen Nervensystems und die Gründung einer Selbsthilfegruppe zum Thema Co-Regulation, die sog. Lokale Gruppe. Im Jahre 2018
veröffentliche ich mein zweites Buch, einen Gedichteband: Reimweise über die Heimreise.
Inzwischen lebe ich in einer glücklichen, nährenden Beziehung in der meine Wunden zu Tage treten dürfen und einen sicheren Ort zum Heilen gefunden
haben.
Ich biete traumasensibles Coaching an und gebe mein Wissen über das autonome Nervensystem in dem Format „Ein Update für dein Nervensystem" weiter. Im Herbst 2024
werde ich mit meiner geschätzten Kollegin und Freundin Elke einen Kameraworkshop anbieten. Für die stabile Basis
sorgt die Regulation des Nervensystems. Verschiedene Übungen ermöglichen ein sicheres und authentisches Auftreten vor der Kamera, damit wir alle sicher in die Sichtbarkeit zu kommen.
Im Dezember 2023 hat Kerstin Esser mich in ihren Podcast eingeladen. Hier das Interview. Viel Freude beim Hören.